Skip to main content
LuftfahrtReise

Die Tuk Tuk Betrugsmasche in Bangkok

By 2018-12-01Juli 24th, 20192 Comments

Niemand ist perfekt und jeder macht Fehler. Diese Erkenntnis gehört zu den wichtigsten Lektionen, die ein Pilot lernen muss. Sie ist die Basis vieler unserer Verfahren. Es ist der Grund, weshalb wir zwei Piloten und eine bestimmte Kommunikation haben. Es ist der Grund, weshalb ein junger erster Offizier die Entscheidungen eines erfahrenen Kapitäns hinterfragen darf – ja, dazu aufgefordert wird. Egal, wie alt man wird oder wie viel man gesehen hat, es wird mit Gewissheit immer wieder etwas neues, unbekanntes passieren und man ist nie davor gefeit, es zu vermasseln.

Es ist meine erste Reise nach Bangkok und ich bin aufgeregt, mit Larissa die Stadt zu erkunden. Am frühen Morgen nehmen wir den Sky Train zur Saphan Taksin Haltestelle, um von dort aus mit dem Wassertaxi den Chao Phraya hinauf zu fahren. Die Orientierung mittels Karte an einer Straßenecke gibt einem Thai die Gelegenheit, uns anzusprechen. Bei seinem freundlichen Kommentar nehme ich meine Deckung herunter: „Hello, you are big man!“. Ich habe es schon oft gehört und werde es bestimmt wieder hören. In Asien fällt man auf, wenn man 1,95 m groß ist. Deshalb bin ich auch sicher, dass er keine bösen Absichten hat. Wir reden kurz, er fragt, woher wir kommen und erzählt uns, dass er auch schon sechs Monate lang in Frankfurt gelebt und gearbeitet hat.

Wir erzählen dem Mann von unseren Plänen, Wat Arun und Wat Pho zu besuchen, zwei der bekanntesten Tempel in Bangkok. Er empfiehlt uns, bis zum Nachmittag zu warten, wenn die Besuchermassen nachlassen. Zum Wassertaxi sagt er uns, dass noch Ebbe sei und die Boote aus unserer Gegend erst wieder in ein-zwei Stunden fahren würden. Stattdessen bietet er uns an, ein Tuk Tuk klarzumachen, die allgegenwärtigen, motorisierten Rikschas, die durch die ganze Stadt summen. Sie sind normalerweise vollkommen überteuert, aber mit der Hilfe eines Einheimischen ist der Preis von 30 Baht (weniger als 1 €) mehr als fair für die Fahrt zum Wassertaxi mit Zwischenstopp an einem kleinen, weniger bekannten Wat.

Wir klammern uns an unsere Taschen und lachen vor Aufregung während wir durch die Straßen Bangkoks zum Wat Maha sausen. Der Tempel in einer ruhigen Nebenstraße ist frei von Touristen als wir in ein Gebäude mit Buddhistischem Altar geführt werden. Wir staunen und machen ein Foto, dann werden wir schon zum nächsten Gebäude gebracht, wo ein liegender Buddha wartet. In der Ecke sitzt auch ein Mann, der uns freudig zu sich winkt. Wir wollen wirklich nur den Tempel ansehen, möchten aber auch nicht unhöflich erscheinen. Also setzen wir uns zu ihm und erzählen unsere Geschichte. Wir erfahren, dass er in Stuttgart gelebt und dort für Mercedes gearbeitet hat. Und ich dachte immer, dass Thais in Deutschland nur Massagepraxen haben!

Es ist alles ganz faszinierend, doch das Gespräch verliert schnell seinen Reiz als uns der Mann sagt, dass wir unbedingt in ein bestimmtes Shoppingcenter gehen müssen. Wir sind nicht hier, um Kram zu kaufen, aber vielen Dank. Er will davon nichts hören und erzählt uns von einem Laden im zweiten Stock, der Kleidung für den König macht: Ei Epsi. Nur diese Woche ist er für die Öffentlichkeit zugänglich und heute ist der letzte Tag. Welch ein Zufall! Dass wir es auch ja nicht vergessen, wiederholt er es dreimal: Ei Epsi (er spricht es „ei ep-thi“ aus, wie ein englisches „th“). Wir nicken und versprechen, mal zu schauen. Keiner von uns hat Interesse am Kauf von Kleidung, aber wir wollen unseren Gastgeber auch nicht vor den Kopf stoßen. Wir sind immerhin in einem Tempel!

Das Tuk Tuk fährt uns zu einem großen Geschäft, bei dem wir realisieren, dass „ei ep-thi“ einfach eine Abkürzung war – gesprochen von jemand, der scheinbar Tischtennisbälle in den Backen hat: IFC („ei eff si“) steht für International Fashion Center! Es ist bloß ein großes Bekleidungsgeschäft und wir sind noch immer zu gesittet, dem Fahrer zu sagen dass es Zeit ist, weiter zu fahren. Wir betreten den Betrieb und sehen nur Dinge, die wir nicht brauchen. Doch wir haben den zweiten Stock vergessen. Das Personal hat uns bereits als westliche Ausländer erkannt und führt uns die Treppen hinauf, wo wir tatsächlich etwas erblicken, das wir mögen: maßgeschneiderte Kleidungsstücke. Bei meiner Größe fällt es mir schwer, etwas passendes von der Stange zu finden, und ich habe gehört, dass Südostasien einige gute Schneider für sehr preiswerte Maßkleidung hat. Seit ich Langstrecke fliege bin ich begierig, mir einen Anzug schneidern zu lassen. Ich bin sicher, dass einige Leute ihren Lohn dafür bekommen werden, uns hierher gebracht zu haben, doch sie haben es so kunstvoll getan, dass ich es jetzt versuchen möchte. Unser Verkäufer nimmt schnell Maß, ich entscheide mich für ein paar schöne Stoffe und bekomme einen Termin für die Anprobe am Abend.

Der Tuk Tuk Fahrer strahlt als wir das Geschäft verlassen. Er weiß, was für ihn rumkommen wird. Endlich fahren wir zum Fluss, um unser Boot zu den Sehenswürdigkeiten zu nehmen, auf die wir uns wirklich gefreut haben. Wir sitzen an einem Tisch, um unsere Fahrkarten für das Wassertaxi zu kaufen, die Verkäuferin berechnet den Preis für unsere Tour und schreibt es auf: 1700 Baht. Über 50 €. „Das ist nicht das Wassertaxi, oder?“ fragen wir. Nein, sagt sie, das ist einen Anleger weiter. Jetzt haben wir die Nase voll: Eine Einzelfahrt im Wassertaxi kostet ungefähr 1 €.

Wir hatten schon bei IFC das Gefühl, dass wir zum finanziellen Vorteil der Beteiligten an einen Ort gefahren wurden, an den wir nicht wollten, doch jetzt wissen wir wirklich, dass man uns übers Ohr hauen wollte. Wir überlegen, wo der Betrug begonnen hat. Der Tuk Tuk Fahrer brachte uns zu einem kommerziellen Bootsunternehmen an Stelle des Wassertaxis, das wir explizit als Ziel genannt hatten. Er war also auf jeden Fall Teil der Masche. Der professionelle Ablauf bei IFC („zweite Etage, zweite Etage“) und der konstante Strom westlicher Paare, die von geparkten Tuk Tuks dorthin geführt wurden, bekräftigte auch die Beteiligung des Geschäfts. Und der Mann im Tempel? Der ehemalige Mercedes Ingenieur, der nun dem liegenden Buddha Gesellschaft leistet? Ja, wahrscheinlich! Aber der freundliche Mann („Ich warte in einem Gebäude in der Straße Klimaanlagen von Siemens.“), der nur bemerkte, wie groß ich bin, und uns half, ein günstiges Tuk Tuk zu ergattern?

Es schmerzt, dass er höchstwahrscheinlich der Beginn eines aufwändigen Komplotts war! Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, nach Bangkok zu fliegen und innerhalb einer Stunde zwei Ingenieure zu treffen, die beide für Deutsche Unternehmen arbeite(te)n und Zeit in meiner Heimat verbracht haben? Wir wurden getäuscht!

Ich habe vor der Zeit in New York gelebt, in der Rudolph Giuliani die Stadt aufgeräumt hat. Ich reise mit einem Anti-Diebstahl Rucksack. Ich lese Bücher wie „Escape the Wolf“ und „100 Deadly Skills“ und beobachte meine Umgebung stets aufmerksam. Trotzdem habe ich es geschafft, frontal in eine Betrugsmasche hineinzulaufen, die so freundlich war, dass es mir schwer fällt, auch nur einen der Beteiligten zu verachten. Die Geschichte zu erzählen lässt alles so offensichtlich erscheinen, dass ich mich frage, wie ich so blind sein konnte. Wenn man sich aber mitten im Geschehen an eine neue Umgebung anpasst und versucht, aufgeschlossen zu bleiben, verliert man auch mal den Gesamtüberblick. Das nutzen diese Typen aus. Aber der Anzug ist gut. Vielleicht habe ich dafür etwas zu viel bezahlt. Ich glaube aber gerne, dass ich mit einem gute Deal eine großartige Geschichte bekommen habe.

Straßenecke in Bangkok. Foto © Google.

Bei meiner nächsten Reise nach Bangkok möchte ich zur gleichen Straßenecke gehen, an der unser Abenteuer begann. Ich bin neugierig, ob ich dort unseren Freund treffe. Hat er mich vergessen, einen von unzähligen Touristen, die er betrogen hat? Was erzählt er mir, wenn ich sage, dass ich aus Italien bin? Oder aus den USA? Eine der Folgerungen, die die Luftfahrtindustrie aus der Erkenntnis gezogen hat, dass wir alle fehlbar sind, ist die Wichtigkeit geteilter Erfahrung. Wenn ich durch das Schreiben dieses Textes auch nur einer einzigen Person helfe zu erkennen, dass sie hinters Licht geführt wird, dann war es eine gute Tat. Ist dir selbst schon etwas ähnliches widerfahren, kennst du jemand mit einer ähnlichen Geschichte oder habe ich dir geholfen, eine potentiell unangenehme Situation zu vermeiden? Erzähl mir davon in den Kommentaren!

Join the discussion 2 Comments